Europas Rolle im 21. Jahrhundert

Vom Frankenreich zur Montanunion - 1200 Jahre europäische Geschichte

1200 Jahre europäische Geschichte

"Geschichte wiederholt sich nicht" ist ein gängiger und gern angewandter Spruch. Und dennoch - es gibt Ideenstränge und Parallelen, die auch Jahrhunderte überdauern.

Ein gutes Beispiel hierfür liefert ein geopolitischer Vergleich der Ausdehnung des Frankenreichs unter Karl dem Großen und der Ausdehnung der "Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl" (EGKS - auch als Montanunion bekannt).

Frappierend ist die Parallelität der Ausformung beider Gebilde (siehe Grafik), wenngleich sie auf unterschiedlichen Rahmenbedingungen und unterschiedlichen Zielsetzungen beruhen. Deutlich wird auch das Grundelement eines "Kerneuropas", welches heute durch Frankreich, die Benelux-Länder und Deutschland markiert wird.

Nebenbei bemerkt: Das Reich Karls des Großen endete in etwa an der Elbe - wie auch das Gebiet der Montanunion, allerdings bedingt durch die Teilung Deutschlands. Und: Auch Karl unterschied zwischen Nord/Mittelitalien einschließlich Roms auf der einen und Süditalien/Sizilien auf der anderen Seite - Berlusconi und die Lega Nord lassen grüßen...

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Kommentar

Für den Philosophen Jonas war es eines der größten Wunder der Menschheitsgeschichte, dass die Welt von Europa aus entdeckt, entwickelt und bestimmt wurde - und noch immer beeinflusst wird. Dieser kleinste Kontinent der Welt, der in Wirklichkeit nur der zersplitterte Wurmfortsatz des eurasischen Großkontinents ist, und der gerade einmal ein Zehntel der Weltbevölkerung beherbergt, hat in den letzten einhundert Jahren fast alles erlebt: Friedensperioden und Kriege, Kommunismus und Faschismus, Nationalismus und Chauvinismus.

Wer an Europa verzweifelt -
der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen!

Jean-Claude Juncker
(als früherer Premierminister von Luxemburg)

Dieser Aussage des heutigen Präsidenten der Europäischen Kommission ist nichts hinzuzufügen...

Europa war und ist im wahrsten Sinne des Wortes ein "Labor der Weltgeschichte", wie es Weidenfeld einmal ausdrückte. Auf kleinstem geographischen Raum kennt dieser Kontinent eine Vielfalt der Geschichte, Kulturen und politischen Systeme, die einzigartig ist.

Einheit in der Vielfalt - dies ist eine Herausforderung und eine Chance zugleich. Nach den großen Selbstzerstörungen Europas haben wir in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts die längste Friedensperiode im Herzen Europas erlebt, die es je in der zentraleuropäischen Geschichte gab. Aus diesen mehr als fünfzig Jahren Frieden müssen wir 50 mal 50 Jahre Frieden werden lassen - und die mitteleuropäische Friedenszone auf ganz Europa ausdehnen.

Vor mehr als 130 Jahren durchlebten die deutschen Lande einen Einigungsprozess, der u.a. in einer gemeinsamen Währung, einem gemeinsamen Markt und einer einheitlichen Außen- und Sicherheitspolitik mündete. Allerdings: Die Einigung wurde durch einen Krieg und in einem Krieg vollzogen, und die nationalstaatlich genormte Politik führte durch unsägliche Selbstüberschätzung in die Desaster zweier Weltkriege.

Die Einigung Europas ist ebenso wie der damalige deutsche Einigungsprozess eine geschichtlich zwingende Notwendigkeit. Die Einigung kann und darf in unserer Zeit jedoch nicht mehr durch Kriege erzwungen, sondern muss mit friedlichen Mitteln vollzogen werden. Dies ist ein mühsamer, aber der einzig richtige Weg. Europa wird im 21. Jahrhundert um seinen Platz in einer größer werdenden Welt streiten müssen - friedlich. Es geht um unser - Europas - Überleben, wie es der Alt-Bundespräsident Roman Herzog einmal sehr drastisch ausdrückte. Einzelstaaten werden dies nicht leisten können.

Die Chancen und Risiken des europäischen Einigungsprozesses werden in diesem Themenbereich der Website beleuchtet. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der europäischen Identitätsfindung, der Suche nach der Rolle Europas im 21. Jahrhundert.