Der Ost-West-Antagonismus
In einem stark vereinfachten Schema kann man zwischen einer "alten" und einer "neuen" Weltpolitik unterscheiden, wobei die Trennlinie an jenen fundamentalen Veränderungen festgemacht werden kann, die mit dem Übergang von den Achtziger- zu den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts einhergingen.
Die Grundstruktur der alten Weltpolitik wurde durch den Ost-West-Antagonismus bestimmt. Die Trennlinie der Weltpolitik verlief "senkrecht" auf der Nordhalbkugel zwischen dem Westen (NATO - in der Grafik in blau) und dem Osten (Warschauer Pakt - rot), eine Teilung, die in fast alle Regionen der Welt ausstrahlte. Erst mit dem Ende des Ost-West-Antagonismus 1989 zeichnete sich eine neue Weltordnung ab.
Die Auflösung des Ost-West-Antagonismus
Der Zusammenbruch des Ostblocks, das Entstehen "neuer" alter Länder in Osteuropa und auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion (in der Grafik in dunkelgelb) drehte die Trennlinie um 90 Grad; sie wurde - immer deutlicher erkennbar - zur Verwerfungslinie zwischen Nord und Süd. Das, was auf dem Schaubild oben in rot dargestellt ist, wurde "blau" bzw. gelb - rein theoretisch hätte es ja auch umgekehrt kommen können...
Der Abbau von Feindbildern, Reformen der existierenden Organisationen und die Entstehung neuer Formen der internationalen Kooperation ließen idealistische Konzepte und Leitbilder aus dem Boden schießen: eine "neue Weltordnung", die "Universalität der Menschenrechte", "humanitäre Interventionen" und letztlich die universale Idee der Ausbreitung des Konzeptes von "Demokratie und Marktwirtschaft".
Der Krisenbogen zwischen Nord und Süd
Die weltweit erkennbare Phase einer gewissen Konsolidierung wurde jäh unterbrochen durch den Schock des 11. September 2001, der die hässlichste Fratze der Globalisierung und Technologisierung zeigte. Es war, wie sich herausstellte, dennoch ein heilsamer Schock. Es bildeten und bilden sich Allianzen von Staaten, deren Zusammenarbeit vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre.
Allerdings: Immer deutlicher zeichnete sich eine neue (alte) Verwerfungslinie entlang der südlichen Peripherie des ehemaligen Westens und Ostens ab. Es bildete sich ein weltpolitisch besonders brisanter Bereich unmittelbarer Herausforderungen und Risiken für den "neuen Norden" (in der Grafik in blau). Ob man dies nun als "Achse des Bösen" oder dezenter als "Krisenbogen" bezeichnet, ist Einstellungssache. Fakt ist, dass viele der sicherheitspolitisch brisantesten Problemstaaten und Krisengebiete entlang dieser Bandbreite verlaufen.
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Vordruck "Antagonismen der Welpolitik"
Die Grafik zeigt den Ost-West-Antagonismus als Ausgangspunkt für eine Analyse alter bzw. neuer Gegensätze. Verdeutlicht werden kann die alte "senkrechte" Ost-West-Trennlinie und deren "Drehung" um 90 Grad zu einer neuen "waagrechten" Trennlinie zwischen Nord und Süd.
Bitte beachten: Die Nord-Süd-Problematik hat den Ost-West-Gegensatz nicht abgelöst, sondern entwickelte sich überlappend bereits während seiner Existenz.
Hinweis
Anhand der Grafik kann durch Einzeichnungen bzw. Markierungen das Entstehen neuer Macht- und Einflusszentren ebenso verdeutlicht werden wie die Entstehung der inzwischen überholten Einteilung der Länder in Erste, Zweite und Dritte Welt. Durch Einzeichnung senkrechter und wagrechter Linien kann zudem (schematisch, aber plastisch) der Wechsel bzw. die Überlappung von Ost-West Antagonismus und Nord-Süd Problematik kenntlich gemacht werden.
Kommentar
Jenseits der sicherheitspolitischen Zwänge und Erfordernisse machen sich zudem Faktoren der technischen und wirtschaftlichen Globalisierung heute viel stärker bemerkbar als zum Ausklang des 20. Jahrhunderts.
Das "System des Kalten Krieges" ist abgelöst worden durch ein "System der Globalisierung" - mit all seinen Licht- und Schattenseiten. Doch der diffuse und weitgehend emotional besetzte Begriff der Globalisierung bereitet vielen Menschen Angst: Angst vor Konkurrenz, Angst vor "Überfremdung", Angst vor der (nach Mechanisierung und Industrialisierung) dritten technologischen Revolution - der Digitalisierung.
Als Reaktion feiert der von vielen Beobachtern Ende des 20. Jahrhunderts schon überholt geglaubte "Nationalstaat" fröhliche Urständ, und Regionalisierungen dienen eher der Abschottung, des Festungsbaus, denn der unterstützenden Steuerung des Globalisierungsprozesses.
"Me/Us First" lässt grüßen...