Privatvermögen in Deutschland – Datenquellen

Privatvermögen - eine Frage der Interpretation (wie reich sind die Deutschen wirklich?)

Datenquellen und deren unterschiedliche Angaben zum Privatvermögen

Die in der Grafik und in der Webseite "Privatvermögen - Definitionsvielfalt und Interpretationsfallen" angesprochenen Datenquellen sind im Folgenden näher dargestellt und bewertet. Im Einzelnen handelt sich um

  • die Integrierten Vermögensbilanzen (Statistisches Bundesamt und Deutsche Bundesbank)
  • die Armuts- und Reichtumsberichte (ARB) der Bundesregierung
  • die Panelstudie der Deutschen Bundesbank (PHF)
  • das Sozio-oekonomische Panel (SOEP)
  • die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)

1. Integrierte Vermögensbilanzen (Statistisches Bundesamt und Deutsche Bundesbank)

Die "Sektoralen und gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanzen", so der sperrige Titel, werden jährlich veröffentlicht. Erfasst werden sowohl das Sachvermögen, welches durch das Statistische Bundesamt ermittelt wird, als auch das durch die Deutsche Bundesbank berechnete Geldvermögen. Die Zusammenfassung dieser beiden Komponenten zu integrierten Vermögensbilanzen stellt das statistisch erfasste Vermögen auf sektoraler und gesamtwirtschaftlicher Ebene nahezu vollständig dar.

Die Vorteile der integrierten Vermögensbilanzen sind die Belastbarkeit der Quellen, die Aktualität durch jährliche Veröffentlichungen und die Vergleichbarkeit über die Jahre hinweg durch Daten in langen Reihen.

Für das Privatvermögen besonders relevant ist der Abschnitt der Vermögensbilanz mit dem Titel "Private Haushalte und Private Organisationen ohne Erwerbszweck". Wir nehmen diese Daten der Vermögensbilanzen zur Grundlage unserer Angaben zum Privatvermögen in Deutschland.


2. Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung

Die Bundesregierung veröffentlicht etwa alle vier Jahre Berichte mit dem Titel "Lebenslagen in Deutschland - Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung", umgangssprachlich als Armutsbericht bezeichnet. In den Berichten nimmt die Bundesregierung Stellung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Bürger Deutschlands, mit einem speziellen Fokus auf Armut in Deutschland.

2001 hatte der Deutsche Bundestag die Verstetigung der Armuts- und Reichtumsberichterstattung beschlossen und die Bundesregierung aufgefordert, jeweils zur Mitte einer Wahlperiode einen entsprechenden Bericht vorzulegen. Der jüngste (vierte) Armuts- und Reichtumsbericht wurde verspätet erst im März 2013 veröffentlicht.

Das Dilemma: Die Armutsberichte führen keine eigenen Befragungen durch, sondern übernehmen Daten zum Privatvermögen aus unterschiedlichen Quellen. Die im vierten Armutsbericht meist sehr allgemein gehaltenen Angaben zum Privatvermögen stützen sich auf die Ergebnisse der EVS und des SOEP (siehe weiter unten) sowie der o.a. integrierten Vermögensbilanzen ab, was logischerweise zu einem Datenwirrwarr führen muss. So nennt der vierte Bericht zum einen ein privates Nettogesamtvermögen in Höhe von rund 4,6 Billionen Euro (basierend auf der EVS-2008), zum anderen ein privates Nettovermögen von "fast 10 Billionen Euro" (basierend auf den Vermögensbilanzen 2011 von Destatis). Noch Fragen???


3. Panelstudie der Deutschen Bundesbank (PHF)

Im Rahmen der Panelstudie "Private Haushalte und ihre Finanzen“ (PHF) hat die Bundesbank zwischen September 2010 und Juli 2011 erstmals Haushalte in Deutschland über ihr Vermögen, ihre Schulden und ihre finanziellen Dispositionen befragt. Die Beteiligung an dieser Erhebung war freiwillig, wobei Ende 2010 in der Regel den Bezugspunkt der Auskünfte darstellt. Der ersten Welle sollen in mehrjährigem, aber regelmäßigem Abstand weitere Befragungen folgen.

Aus den Daten des PHF ergibt sich, mit Bezugszeitpunkt Ende 2010, ein geschätztes durchschnittliches Vermögen der privaten Haushalte von brutto 222.200 Euro und netto (abzüglich der Verschuldung) von 195.200 Euro.

Das PHF ist Teil des "Household Finance and Consumption Survey" (HFCS), einer neuen, harmonisierten Befragung, die in allen Ländern des Euro-Raums (Eurozone) durchgeführt wird. Ziel der Erhebungen ist die weitere Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen der Zentralbanken im Eurosystem.

Potentieller Vorteil: Die Ergebnisse zu Vermögensstruktur und Vermögensverteilung der Haushalte werden langfristig international vergleichbar. Schwachpunkte: Die Schwachpunkte dieser und der nachfolgend beschriebenen Studien haben wir weiter unten zusammengefasst.


4. Sozio-oekonomisches Panel (SOEP)

Das SOEP ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung und Langzeitstudie, die im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin jährlich in Deutschland durchgeführt wird. Darüber hinaus erhebt das SOEP in fünfjährlichen Schwerpunktbefragungen (bisher 2002, 2007 und 2012) Daten zur Vermögenssituation.

Das Problem: Im Gegensatz zu anderen Befragungen werden im SOEP die Vermögenskomponenten nicht für Haushalte, sondern für "erwachsene" Personen (älter als 16 Jahre) ermittelt. Beim Vermögensvergleich mit anderen Befragungen (z.B. PHF und EVS) ist deshalb zu beachten, dass die SOEP "pro Kopf"-Daten nahezu verdoppelt werden müssen, um sie mit anderen Daten "pro Haushalt" vergleichen zu können.

Ein Beispiel: Deutschland hatte im Jahr 2012 rund 80,5 Millionen Einwohner, der Anteil der Minderjährigen betrug etwa 15 Prozent. Somit lebten rund 68 Millionen Erwachsene in rund 40 Millionen Haushalten, also statistisch 1,7 Erwachsene pro Haushalt. Laut SOEP betrug der Mittelwert des individuellen Nettovermögens eines Erwachsenen rund 83.300 Euro. Auf den Durchschnittshaushalt umgerechnet ergibt sich also ein Nettovermögen von rund 140.200 Euro.


5. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)

Die EVS ist eine amtliche Statistik über die Lebensverhältnisse privater Haushalte in Deutschland, die vom Statistischen Bundesamt fünfjährlich erstellt wird. Sie liefert unter anderem statistische Informationen über die Ausstattung mit Gebrauchsgütern, die Einkommens-, Vermögens- und Schuldensituation sowie die Konsumausgaben privater Haushalte. Einbezogen werden dabei die Haushalte aller sozialen Gruppierungen.

Die EVS wird alle fünf Jahre durchgeführt. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Teilnahme besteht nicht, das heißt, alle Haushalte nehmen auf freiwilliger Basis an der EVS teil. Es werden rund 60 000 private Haushalte in Deutschland befragt. Die jüngste EVS stammt aus dem Jahr 2013.

Die EVS 2013 kommt pro Privathaushalt zu erheblich niedrigeren Vermögenswerten als die jährlich im Herbst vom Statistischen Bundesamt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank veröffentlichten integrierten Vermögensbilanzen. TIPP: Als Faustformel kann gelten, dass das in der EVS ausgewiesene Privatvermögen pro Haushalt etwa halb so groß ist wie das in den Vermögensbilanzen angegebene Privatvermögen.


Schwachpunkte der Befragungen (Auswahl)

Aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen, Erhebungsmethoden und Abfragekriterien sind die Ergebnisse der diversen Panelstudien nur bedingt vergleichbar und kommen zu zum Teil deutlich unterschiedlichen Ergebnissen. Beispiele:

a. In der PHF werden nicht alle Vermögensansprüche der privaten Haushalte erfasst. Insbesondere fehlen die Ansprüche gegenüber den gesetzlichen Sozialversicherungen, während private Rentenversicherungen und Lebensversicherungen berücksichtigt wurden.

b. Die PHF erlaubt bezüglich der Aussagen zum privaten Vermögen der Haushalte nur eingeschränkt Rückschlüsse auf den Lebensstandard oder das Vermögen einer Gesellschaft insgesamt. Dies gilt besonders bei internationalen Vergleichen. Folge: "Die PHF rechnet die Südeuropäer reich" waren Schlagzeilen, die sich auf die mit der PHF vorgestellten internationalen Vergleichsdaten bezogen, wonach die Vermögenswerte in Deutschland deutlich unter denen in anderen Mitgliedstaaten der Eurozone, insbesondere den Mittelmeerländern, lägen. Was logischerweise aus dem Umstand resultiert, dass dort der Immobilienbesitz wesentlicher Teil der individuellen Altersvorsorge ist.

c. Die EVS erfragt keine Angaben zum vorhandenen Bargeld; gemäß Bundesbank umfasst Bargeld zusammen mit den Einlagen rund 40 Prozent des Geldvermögens. Die EVS lässt in ihren Fragebögen zum Immobilienvermögen die Haushalte den  Verkehrswert ihrer Immobilien "schätzen"; in den integrierten Vermögensbilanzen machen die Immobilien fast ein Drittel des Gesamtvermögens aus.

d. Für alle hier genannten Studien gilt: Sie liefern keine Angaben für Haushalte mit einem besonders hohen Haushaltsnettoeinkommen (z.B. 18.000 Euro und mehr), da diese in der Regel nicht in so ausreichender Zahl an der Erhebung teilnehmen, dass gesicherte Aussagen über ihre Lebensverhältnisse getroffen werden können. Die Bezieher derart hoher Einkommen gehören in der Regel aber zugleich zur Spitzengruppe der Vermögenden in Deutschland, die ihrerseits über die Hälfte des gesamten Privatvermögens besitzen.


Sind diese Befragungen also überflüssig?

Nein - denn sie haben in der Regel eines gemeinsam: Sie geben weitgehend kongruente Auskünfte über die Vermögensstruktur der Privathaushalte und die ungleiche Verteilung des Privatvermögens in der Gesellschaft.

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