"Arabellion" - Frühling oder Winter in Nordafrika?
Die Unruhen, Aufstände und Umstürze im arabischen Teil Nordafrikas und Vorderasiens - hoffnungsfroh auch als Arabischer Frühling bezeichnet - weckten die Hoffnung auf eine echte Demokratisierung der Länder. Ernüchtert sprechen Beobachter heute bereits vom Arabischen Winter.
Die Grafik zeigt die Entwicklung in den neun hauptsächlich betroffenen Länder wie folgt
• Unruhen und Demonstrationen (grün)
• Sturz der Machthaber (rot)
• Aufstände (magenta)
• Regierungsumbildung nach Protesten (türkis)
In den Kästen werden Parameter der Länder näher erläutert, z.B. Gründungsjahr des Staates, Einwohnerzahl, Staatsform, Staatsoberhaupt - alles mit Stand Ende 2013. Spätestens dann begann die Ernüchterung...
Basisdaten der nordafrikanischen Staaten
Die Grafik vergleicht die Daten des Jahres 2020 der fünf nordafrikanischen Staaten (von links nach rechts und nach ihrer Wirtschaftskraft geordnet) Ägypten, Algerien, Marokko, Tunesien und Libyen. Verglichen werden
- das Bruttoinlandsprodukt (braune Säulen)
- die Einwohnerzahlen (grüne Säulen)
- die Fläche der Staaten (dunkelgelbe Säulen - in der Skalierung 1:10).
Erkenntnisse auf einen Blick: Ägypten führt sowohl bei der Wirtschaftsleistung als auch bei der Einwohnerzahl, die größer ist wie die der anderen nordafrikanischen Staaten zusammen. Die beiden größten Flächenstaaten sind Algerien und Libyen, allerdings überwiegend mit Wüstengebieten "gesegnet".
Aufschlussreich sind die Quervergleiche der Einwohnerzahlen jeweils im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung und zur Fläche der Länder. Hier heben sich Algerien und Libyen sowohl mit einem relativ großen BIP pro Kopf als auch mit einer geringen Bevölkerungsdichte hervor.
Weiterführender externer Link
- World Development Indicators (WDI)
(Webseite der Weltbank - in Englisch)
Bevölkerungsdaten
Die Grafik vergleicht demographische und bildungspolitische Daten der nordafrikanischen Länder (von West nach Ost) in Prozentzahlen wie folgt:
- Alphabetisierungsquote Erwachsene insgesamt (rote Rauten)
- Alphabetisierungsquote erwachsene Frauen (orange Kreise)
- Bevölkerungsanteil der unter 15-Jährigen (gelbe Säulen)
- Jugendarbeitslosigkeit (15-24 Jahre) (blaue Säulen)
Die Inlet-Grafik in der Kopfleiste zeigt die Vergleichszahlen für Deutschland und verdeutlicht, dass die Daten der nordafrikanischen Länder zum Teil dramatisch höher liegen. Beispiele für 2019/2020: Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland liegt bei unter 6 Prozent, im nordafrikanischen Durchschnitt liegt sie bei rund 34 Prozent; der Anteil der unter 15-Jährigen in Deutschland beträgt etwa 13 Prozent, in Nordafrika beträgt er im Durchschnitt fast 30 Prozent.
Bitte beachten: Datenquellen der Bevölkerungsdaten dieser Webseite sind das African Statistical Yearbook 2020, WDI 2021, UNDP Human Development Reports, ILO-Statistik und UNESCO. Die in diesen Quellen ausgewiesenen Prozentzahlen basieren auf den jeweils "neuesten" verfügbaren Daten. Die Mehrzahl dieser Daten ist mehrere Jahre alt; in Einzelfällen gehen die Daten bis in das Jahr 2008 zurück.
Weiterführender externer Link
- African Union
(Offizielle Webpräsenz der AU - in Englisch - dort u.a. auch das African Statistical Yearbook 2020)
Nordafrika im Fokus von EU und NATO
Die Grafik verdeutlicht die Versuche der geopolitischen Einbindung Nordafrikas durch verschiedene Kooperationsansätze:
- Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) der EU, die sich von Weißrussland im Nordosten bis Marokko im Südwesten erstreckt
- Mittelmeerunion (EU-initiiert)
- Mittelmeerdialog der NATO
Aber bitte realistisch bleiben: Weder die EU noch die NATO haben etwas von den beginnenden Umbrüchen im Rahmen der Arabellion bemerkt - außer Spesen also nichts gewesen?
Kommentar
Beeindruckend bis erschreckend ist die Tatsache, dass die fünf nordafrikanischen Staaten mit zusammen weit mehr als doppelt so vielen Einwohnern wie Deutschland nur ein gemeinsames Bruttoinlandsprodukt (BIP) erzielen, das etwa einem Sechstel des BIP Deutschlands entspricht.
Hinzu kommt: Bei allen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass die nordafrikanischen Staaten im Verhältnis zu den afrikanischen Ländern südlich der Sahara als besonders entwickelt gelten - ein Hinweis darauf, wie es um den Rest des Kontinents bestellt ist.
Besonders erschreckend ist die hohe Analphabetenrate insbesondere bei den erwachsenen Frauen (in Marokko etwa 35%). In dieser geringen Alphabetisierungsrate ist vielleicht einer der Gründe zu suchen, warum männliche Jugendliche z.B. in Marokko besonders anfällig für fundamentalistisches und extremistisches Gedankengut sind, ganz abgesehen von der vermutlich geringen Anregung zur Bildung, die sie unter diesen Umständen von ihrem Zuhause erfahren.