EU und NATO - Vergleich der Mitgliedschaften
Die Entwicklung einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität ist der Versuch der Europäischen Union, den europäischen Pfeiler innerhalb der transatlantischen Allianz (NATO) zu stärken und eine eigenständige sicherheits- und verteidigungspolitische Identität zu entwickeln.
Die Grafik verdeutlicht das auch im sicherheitspolitischen Umfeld allseits bekannte Dilemma Europas: Ein Mini-Kontinent bunt gemischt, ein Europa "à la carte". Verglichen werden die Mitgliedschaften europäischer Staaten in der NATO und in der EU.
- Blau gekennzeichnet sind die 22 Staaten, die Mitglieder sowohl in der NATO als auch in der EU sind.
- Grün dargestellt sind die 9 Staaten, die nur in der NATO sind. Seit dem Austritt Großbritanniens aus der EU am 1. Februar 2020 und dem Beitritt Finnlands zur NATO am 4. April 2023 sind dies sieben europäische Staaten plus - logischerweise - die beiden nordamerikanischen NATO-Mitglieder USA und Kanada.
- Dunkelgelb gehalten sind die 5 Staaten, die nur in der EU sind (neutrale und nichtgebundene Staaten).
Zur Entwicklung der ESVI war ursprünglich die WEU als Nukleus des europäischen Pfeilers der NATO vorgesehen. Durch die 2000/2001 erfolgte Integration der WEU-Institutionen und der Petersberg-Aufgaben in die EU ist diese damit zur koordinierenden Komponente geworden.
Die Petersberg-Aufgaben - so benannt nach dem Ort bei Bonn, an dem sie im Juni 1992 vom Ministerrat der WEU festgelegt wurden - umfassen (1) humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, (2) friedenserhaltende Aufgaben sowie (3) Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen.
Die ESVI steht in enger Verbindung zu folgenden Organisationen und Komponenten:
• Europäische Union (EU)
• Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP)
• Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)
• Nordatlantische Vertragsorganisation (NATO)
• Westeuropäische Union (WEU) - 2011 aufgelöst
Die wichtigsten Elemente der ESVI sind:
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Kommentar
Zur Zeit sind in der EU Arbeiten im Gange, um die politische Kontrolle und die strategische Leitung EU-geführter Petersberg-Operationen zu gewährleisten. Bestimmt werden soll, welche Operationen mit und welche ohne Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO durchzuführen sind und welche Modalitäten für die Beteiligung an Operationen der Mitglieder der EU, der europäischen NATO-Mitglieder und der assoziierten Partner der EU / WEU gelten sollen.
Hier wird ein Grunddilemma der EU deutlich: Nicht alle Mitgliedstaaten sind in der NATO, und drei ihrer Mitglieder sind neutrale Staaten. Eine wirkliche ESVI müsste logischerweise die Aufgabe der Neutralität bedeuten - im Klartext: Auf Dauer kann es bei einer echten Integration Europas keine Neutralität mehr geben. Genau so wenig ein "Europa à la Carte", bei dem sich jeder nur die Rosinen herauspickt, die ihm besonders gut schmecken (vgl. Dänemark mit seiner selektiven Teilnahme an der GASP).
Die USA werfen den Europäern zu Recht vor, dass Sie mit dem Aufbau von Organisationen und der Schaffung von Dienstposten ungewöhnlich schnell sind, bei der wirklichen Hardware aber weit hinter ihren Möglichkeiten herhinken. Ein Vorwurf, der kaum zu entkräften ist - und der sich angesichts der sich vergrößernden (militär)technologischen Lücke zwischen den USA und Europa noch verstärken wird...