SPOTLIGHT: Die Bundesregierung hat am 27. April 2022 eine Ergänzung des Entwurfs zum Bundeshaushalt 2022 mit einer Erhöhung der Nettokreditaufnahme in Höhe von 39,2 Mrd. Euro beschlossen. Der Bundeshaushalt 2022 kommt somit auf eine Nettokreditaufnahme von 138,9 Milliarden Euro. Mit dem Ergänzungshaushalt sollen die Folgen des Ukraine-Krieges gemildert werden.
Nettokreditaufnahme des Bundes bis 2026
(Finanzplan vom 16. März 2022 und Ergänzungshaushalt vom 27. April 2022)
Die Grafik zeigt die jährliche Nettokreditaufnahme (Schuldenaufnahme abzüglich Schuldentilgung) des Bundes und die Zahlen des Finanzplans. Die Ist-Zahlen sind in dunkelgelben Säulen bzw. als grüne Null-Linien markiert. Die Neuverschuldung seit Beginn der Corona-Krise 2020 und die Sollzahlen bis 2026 sind in Rot markiert.
2021 wuchs die Nettokreditaufnahme auf 215,4 Milliarden Euro (das ursprüngliche Soll lag sogar bei 240,2 Mrd. Euro), da die Gesamtausgaben auf fast 560 Milliarden Euro gestiegen waren. Die Neuverschuldung erreichte damit einen Rekordwert in der Geschichte der Bundesrepublik. Auch für 2022 sind statt der in der Finanzplanung bis 2023 eingestellten Summe von 10,5 Milliarden Euro und der im zweiten Regierungsentwurf 2022 erhöhten Summe von 99,7 Milliarden Euro nun insgesamt 138,9 Milliarden Euro an neuen Krediten vorgesehen.
Die recht optimistischen Annahmen einer geringen Neuverschuldung für die Jahre 2023 bis 2026 beruhen auf der Annahme, dass in diesen Jahren auf die (Flüchtlings-) Rücklage zurückgegriffen werden kann und diese damit aufgebraucht wird. Angesichts der neuen Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine ein wohl frommer Wunsch...
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zum Vergleich
Nettokreditaufnahme des Bundes bis 2025
(Finanzplan vom 06. August 2021)
Diese Grafik und die folgenden Grafiken zeigen die geplante jährliche Nettokreditaufnahme in der gleichen Systematik wie oben. 2021 plante die Regierung Ausgaben ein, die um etwa 60 Milliarden Euro höher liegen als im Haushaltsgesetz im Dezember 2020 vorgesehen. Damit wuchsen die Gesamtausgaben auf rund 560 Milliarden Euro und die Neuverschuldung steigt auf 240 Milliarden Euro – ein Rekordwert in der Geschichte der Bundesrepublik. Immerhin: Für 2020 reduzierte sich die Neuverschuldung von den ursprünglich geplanten 217,8 Milliarden auf rund 130,5 Milliarden Euro.
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(bitte die unterschiedliche Skalierung beachten)
Nettokreditaufnahme des Bundes bis 2024
(Finanzplan vom 09. Oktober 2020)
Da sich die deutsche Wirtschaft besser entwickelt hatte als erwartet, mussten die zur Vorsorge (z.B. Grundsicherungsleistungen) eingeplanten Mittel nicht in voller Höhe abgerufen werden. Zudem hatte die wirtschaftliche Entwicklung höhere Steuereinnahmen als erwartet zur Folge, und gleichzeitig lagen die Ausgaben mit 443,4 Mrd. Euro geringer als die geplanten rund 500 Mrd. Euro. Die Nettokreditaufnahme lag aufgrund der vergleichsweise positiven Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Einnahmeentwicklung nur bei 130,5 Mrd. Euro.
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(bitte die unterschiedliche Skalierung beachten)
Nettokreditaufnahme des Bundes bis 2023
(Finanzplan vom 09. August 2019)
Mit dem zweiten Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan 2020 (umgangssprachlich Nachtragshaushalt) und dem zugehörigen Gesetz wurden die haushaltsrechtlichen Ermächtigungen zur Finanzierung von Maßnahmen des Bundes zur Bekämpfung der Auswirkungen des Corona-Virus erweitert. Zum Ausgleich der prognostizierten Steuermindereinnahmen und zur Finanzierung der Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus wurde das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, für das Haushaltsjahr 2020 Kredite bis zur Höhe von 217,8 Milliarden Euro aufzunehmen. Der Betrag war fast fünfmal so hoch wie die bisherige höchste Neuverschuldung aus dem Jahr 2010.
Stichwort "Schuldenbremse"
(1) Begriffsbestimmung
Die Schuldenbremse ist eine verfassungsrechtliche Regelung mit dem Ziel, die Staatsverschuldung Deutschlands zu begrenzen. Sie wurde im Grundgesetz verankert und verpflichtet Bund und Länder, grundsätzlich ausgeglichene Haushalte ohne Aufnahme von Krediten zu erstellen. Die Schuldenregel wurde von der Föderalismuskommission II Anfang 2009 beschlossen und macht Bund und Ländern ab 2011 verbindliche Vorgaben zur Reduzierung des Haushaltsdefizits.
(2) Eckpunkte
- Beim Bund ist eine strukturelle Verschuldung (also eine nicht konjunkturbedingte jährliche Nettokreditaufnahme) nur noch in Höhe von maximal 0,35 % des Bruttoinlandsproduktes zulässig (Beispiel siehe unten). Die Einhaltung der 0,35 % Grenze ist ab dem Jahr 2016 zwingend vorgeschrieben.
- Für die Länder wird die Nettokreditaufnahme ganz verboten. Das Verbot der Nettokreditaufnahme tritt ab dem Jahr 2020 in Kraft.
- Eine Ausnahmeregelung ist für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen (z.B. schwere Rezession) vorgesehen und soll die notwendige Handlungsfähigkeit des Staates zur Krisenbewältigung sichern.
- Konjunkturellen Effekten soll besser Rechnung getragen werden: Eine konjunkturbedingte Erhöhung der Kreditaufnahme in Abschwungphasen muss in Aufschwungphasen auch wieder ausgeglichen werden.
- Drohende Haushaltsnotlagen sollen künftig schneller erahnt und so besser bekämpft werden. Dazu wird ein Stabilitätsrat geschaffen, der die Haushalte von Bund und den einzelnen Ländern überwacht, Haushaltsnotlagen vermeiden soll und bei Bedarf ein Sanierungsverfahren einleiten kann.
(3) Ein Beispiel
Angenommen, das Bruttoinlandsprodukt beträgt 3.000 Mrd. Euro. Die maximal erlaubte strukturelle Neuverschuldung des Bundes wäre dann 0,35 % von 3.000 Mrd. Euro, also rund 10 Mrd. Euro. Dies wäre zwar eine deutliche Reduzierung der Neuverschuldung im Vergleich zu heute, aber auch diese 10 Mrd. Euro wären neue Schulden, die zusätzlich auf den Schuldenberg des Bundes gehäuft und damit zu höheren Zinsaufwendungen führen würden. Und Vorsicht: Zusätzlich zur strukturellen Neuverschuldung ist eine konjunkturbedingte Neuverschuldung erlaubt. Auch diese kann in den ein- bis zweistelligen Milliardenbetrag gehen.
Stichwort "Neuverschuldung" (Nettokreditaufnahme)
Zur Erinnerung: Eine Verringerung der Neuverschuldung bedeutet lediglich, dass "weniger mehr" neue Schulden gemacht werden! Für jeden zusätzlichen Euro des staatlichen Schuldenbergs müssen Zinsen gezahlt werden. Wir haben in den vergangenen Jahren keine Schulden abgebaut, sondern die Neuverschuldung, sprich Nettokreditaufnahme, reduziert.
Seit 2014 steht die “Schwarze Null”
Zum ersten Mal seit 1969 konnte der Bundeshaushalt im Jahr 2014 ohne Neuverschuldung ausgeglichen werden. Die Schwarze Null - der Traum jedes Finanzministers - soll den Beginn eines ausgeglichenen Bundeshaushalts für den gesamten Finanzplanungszeitraum bis 2020 markieren. Über die Legislaturperiode gerechnet sollen
- die Ausgaben weniger steigen als das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP)
- die Stabilitätskriterien für Defizit- und Schuldenquote nach dem verschärften europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt eingehalten werden
- die nationale Schuldenregel ("Schuldenbremse") mit großem Sicherheitsabstand eingehalten werden
Rückblick
Die Neuverschuldung sollte ursprünglich bereits bis 2011 auf Null Euro gesenkt werden. Die Chancen dafür standen gut, jedoch hatte die globale Wirtschafts- und Finanzkrise einen Strich durch die Rechnung gemacht. Immerhin: Die reale Neuverschuldung für 2010 konnte im Vergleich zu dem angesetzten Soll in Höhe von ursprünglich 80,2 Milliarden Euro aufgrund der anspringenden Konjunktur zwar auf rund 44 Milliarden Euro nahezu halbiert werden, bleibt aber dennoch die höchste Nettokreditaufnahme in der Geschichte der Bundesrepublik.
Ausblick
Die innerhalb der Vorgaben der Schuldenbremse geplante strukturelle Neuverschuldung des Bundes wird zwar deutlich reduziert, dennoch dürfte sich auch dann der Schuldenberg der öffentlichen Hand insgesamt mittelfristig erhöhen. Die Staatsverschuldung hatte 2010 bereits die 2 Billionen-Euro-Marke (2.000 Milliarden Euro) überschritten. Somit lasten heute auf jedem Bundesbürger rund 25.000 Euro Staatsschulden. Pessimisten befürchten, dass der Schuldenberg bis zum Jahr 2050 auf gigantische 8 Billionen Euro steigen könnte.
Hinweis: Wenn die Neuverschuldung die veranschlagten Investitionen übersteigt, muss eine "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes" festgestellt werden.
Stichwort "Zinsausgaben" (Bundesschuld)
Die Zinslast versteckt sich im Bundeshaushalt hinter der sogenannten "Bundesschuld". Dahinter verbergen sich Zinsen, keine Tilgungen(!) - also Geld, das durch den Schornstein raucht, ohne dass damit auch nur ein einziger Euro des Schuldenberges abgebaut würde. Natürlich werden regelmäßig Altschulden getilgt, jedoch ergibt sich per Saldo aufgrund der jährlichen Neuverschuldung ein langfristig steter Anstieg der Zinsausgaben.
Rückblick
Bis einschließlich 2008 stiegen die Zinsausgaben moderat, aber stetig. Mit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise profitiert der Bund von niedrigeren Zinssätzen. Der Bund konnte dadurch verstärkt "Umschulden", d.h. Kredite mit höheren Zinssätzen durch solche mit niedrigeren Zinssätzen ablösen. Die Zinsausgaben von 2008 bis 2017 konnten so deutlich gesenkt werden.
Ausblick
Ab 2018 muss wieder mit leicht steigenden Aufwendungen gerechnet werden, da die Zinssätze mit anspringender globaler Konjunktur wieder steigen dürften. Da derzeit noch immer vergleichsweise günstige Anschlussfinanzierungen für Bundesschulden möglich sind, liegen die Zinsausgabenansätze trotz des unterstellten allmählich ansteigenden Zinsniveaus weiterhin auf einem im langjährigen Vergleich niedrigen Niveau und sollten im Finanzplanungszeitraum bis 2022 nur moderat ansteigen.