Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion (ESVU)

Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion - Gipfelerklärung der ESVU

Die Gipfelerklärung der ESVU
(oder auch die Geschichte einer Eintagsfliege...)

Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg hatten sich als "Irak-Kriegsdienstverweigerer" am 29. April 2003 in Brüssel auf dem sogenannten "Pralinen-Gipfel" auf das Konzept einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion (ESVU) geeinigt.

Sie haben richtig gelesen: Wir reden über das Jahr 2003. Seitdem gibt es verschiedene weitere sogenannte (meist: jetzt aber endgültige, richtige, wirkliche) Verteidigungsunionen. Der jüngste Ansatz stammt aus November/Dezember 2017 und firmiert in den Medien - wie hätten's denn gerne - unter Verteidigungsunion, Militärunion, Sicherheitsunion, Sicherheits- und Verteidigungsunion etc. etc. Tatsächlich handelt es sich um die verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung, eine "Permanent Structured Cooperation (PESCO)" - auf Deutsch: "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ)". Eine "Union" ist etwas anderes...

Die wichtigsten Elemente der Abschlusserklärung des Vierergipfels zur ESVU 2003 sind in der Grafik und in der folgenden Textversion aufgelistet.


Abschlusserklärung
(Auszüge)

(1)  Die EU muss über eine glaubwürdige Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) verfügen. Glaubwürdig - und damit wirksam - ist Diplomatie nur, wenn sie sich auf wirksame zivile und militärische Fähigkeiten stützen kann. Die transatlantische Partnerschaft bleibt für Europa eine grundlegende strategische Priorität.

(2)  Folgende Grundsätze sollten in den EU-Verfassungsvertrag (2007 gescheitert) aufgenommen werden:

  • die Möglichkeit einer verstärkten Zusammenarbeit (einiger Länder) im Verteidigungsbereich
  • die Schaffung einer Europäischen Agentur für Entwicklung und Beschaffung militärischer Fähigkeiten
  • das Konzept einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion (ESVU) sollte aufgenommen werden. Die hieran beteiligten Staaten werden insbesondere (1) die Verpflichtung eingehen, einander bei jeder Art von Gefahr Hilfe und Beistand zu leisten und (2)  ihre Sicherheits- und Verteidigungsanstrengungen verstärken, insbesondere bei den Investitionen in die militärische Ausrüstung.

(3)  Initiativen zur gemeinsamen Teilnahme an Einsätzen, die im Rahmen der EU oder der NATO durchgeführt werden, sind:

  • eine "Initial-Entry-Fähigkeit" zur Verbesserung der europäischen schnellen Reaktionsfähigkeit - mit der deutsch-französischen Brigade als Kern, in die belgische Kommandoteile und luxemburgische Aufklärungselemente integriert werden
  • ein Europäisches Strategisches Lufttransportkommando bis spätestens Juni 2004
  • ein Planungs- und Führungsstab für Einsätze der EU, der im Einsatzfall durch nationales Personal verstärkt wird

(4)  Die ESVU steht allen derzeitigen und künftigen EU-Mitgliedstaaten offen.


Kommentar

Ein peinlicher Versuch, sicherheitspolitisch die Irak-Allianz unter Führung der USA zu konterkarieren, Frankreichs Rolle als "Weltmacht" zu verdeutlichen und Deutschland aus der Isolation zu holen.

Trotz einiger guter An- und Vorsätze blieb es weitgehend bei Lippenbekenntnissen. Machen Sie den Test: Haben Sie seit 2003 noch einmal etwas von der ESVU 2003 gehört?

Dennoch, um fair zu bleiben: Etliche der durchaus richtigen Forderungen und Vorschläge wurden inzwischen umgesetzt und sind zum Teil auch in den Vertrag von Lissabon eingeflossen. Think positiv...