SPOTLIGHT: Ab 1. Juli 2020 hat Deutschland für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft der EU übernommen. "Gemeinsam. Europa wieder stark machen." - so lautet das Motto der Ratspräsidentschaft. Im Logo ist ein Möbiusband zu sehen - ein Symbol für Einigkeit und Verbundenheit.
"Gemeinsam. Europa wieder stark machen." "Together for Europe’s recovery" "Tous ensemble pour relancer l'Europe" |
Der Rat im Beziehungsgeflecht der Institutionen
Die Grafik zeigt die aktuellen Organe und Strukturen der Europäischen Union, die mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahr 2009 etabliert wurden. Die EU verfügt über sieben Organe (gelbe Kästen):
- Europäischer Rat
- Rat ("Ministerrat")
- Europäische Kommission
- Europäisches Parlament
- Europäische Zentralbank
- Gerichtshof der Europäischen Union
- Rechnungshof
Die Ratspräsidentschaft bezieht sich auf den Vorsitz im sogenannten Ministerrat der Europäischen Union. Fälschlicherweise wir in Medien oft der Terminus "EU-Präsidentschaft" gebraucht.
Der Vorsitz im Rat der EU - die EU-Ratspräsidentschaft
(englisch: "The Presidency of [the] Council..." - siehe EUV, Artikel 16, Absatz 9)
Der Vorsitz im Rat wird von den EU-Mitgliedstaaten im Turnus wahrgenommen und wechselt alle sechs Monate. Während dieser sechs Monate leitet der Vorsitz die Sitzungen und Tagungen auf allen Ebenen des Rates und sorgt für die Kontinuität der Arbeit der EU im Rat.
Die Mitgliedstaaten, die den Vorsitz innehaben, arbeiten in Dreiergruppen als sogenannter Dreiervorsitz eng zusammen. Diese Regelung wurde 2009 mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt. Der Dreiervorsitz formuliert langfristige Ziele und erarbeitet ein gemeinsames Programm mit den Themen und den wichtigsten Fragen, mit denen sich der Rat in dem betreffenden Achtzehnmonatszeitraum befassen wird. Auf der Grundlage dieses Programms stellt jedes der drei Länder sein eigenes detaillierteres Sechsmonatsprogramm auf.
Der aktuelle Dreiervorsitz besteht aus dem deutschen, portugiesischen und slowenischen Vorsitz (siehe Grafik).
Erläuterungen
I. Wer ist was?
Europäischer Rat, Rat der Europäischen Union, Europarat – Die Begriffe sind ähnlich und daher verwirrend.
a. Der Europäische Rat ist realiter das oberste Organ der EU. Mehrmals im Jahr kommen hier Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten bei sogenannten EU-Gipfeln zusammen. Auch die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, und der Hohe Vertreterin der Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, nehmen an den Sitzungen teil. Den Vorsitz hat der für zweieinhalb Jahre gewählte Präsident des Europäischen Rates (nicht der Europäischen Union!), Charles Michel.
b. Der Rat der EU ("Ministerrat") ist inhaltlich die höchste Instanz der Europäischen Union. Die Mitglieder diskutieren Grundsätze und Leitlinien der europäischen Zusammenarbeit. Ihre Vorgaben sind entscheidend für die Arbeit der Kommission.
c. Der Europarat hingegen ist kein Organ der Europäischen Union. Er ist ein eigenständiger Zusammenschluss europäischer Staaten mit 47 Mitgliedsländern mit Sitz in Straßburg. Neben den EU-Mitgliedsstaaten gehört ihm etwa auch Russland an. Sein Ziel ist die enge zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei Themen wie Demokratie und Menschenrechte (sic).
II. Vorsitz im Rat
Wer führt den Vorsitz auf den Ratstagungen? Im "Allgemeinen Rat der Außenminister" führt der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, den Vorsitz. Bei den übrigen Tagungen des Rates führt der zuständige Minister oder die zuständige Ministerin des EU-Mitgliedstaats den Vorsitz, die bzw. der turnusgemäß den EU-Ratsvorsitz innehat.
Die EU-Ratspräsidentschaft wechselt im halbjährlichen Turnus nach einer auf viele Jahre festgelegten Reihenfolge. Die Aufgabe der Präsidentschaft ist die Organisation und Durchführung der Sitzungen sowie die Herbeiführung der Beschlüsse des Rates.
III. Aufgaben und Befugnisse des Rats
Der Rat der Europäischen Union wird auch EU-Ministerrat genannt. Der Ministerrat ist neben dem Europäischen Parlament Gesetzgeber der EU. Dem sogenannten Ministerrat gehören die jeweiligen Fachminister der Mitgliedsstaaten an. Je nachdem, welches Thema verhandelt wird, kommen verschiedene Fachrichtungen zusammen. Die Außenminister etwa bilden den "Rat für Auswärtige Angelegenheiten", die Wirtschafts- und Finanzminister den "Rat Wirtschaft und Finanzen" (auch Ecofin-Rat genannt). Der Ministerrat kann in zehn verschiedenen Ausformungen auftreten.
Der Ministerrat ist neben dem Europäischen Parlament Gesetzgeber der EU. Die Fachminister entscheiden über die Gesetzentwürfe (Verordnungen, Richtlinien) der Europäischen Kommission. Sowohl der Ministerrat als auch das Europäische Parlament müssen dem Vorschlag zustimmen, damit ein Gesetz verabschiedet werden kann.
Nach dem Vertrag von Lissabon (2009) wurde für den November 2014 die sogenannte "doppelte Mehrheit" im Rat eingeführt. Das heißt: Für die Annahme von Beschlüssen ist in der Regel eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, und zwar: 55 Prozent aller Länder, das heißt bei derzeit 27 Mitgliedstaaten 15 Länder, die außerdem mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung stellen. Um einen Beschluss zu verhindern, sind mindestens vier Länder erforderlich, die mindestens 35 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung stellen.
Ausnahmen: Für sensible Angelegenheiten wie Außenpolitik und Steuern ist Einstimmigkeit erforderlich, das bedeutet alle Länder müssen zustimmen. Für verfahrenstechnische und administrative Angelegenheiten genügt die einfache Mehrheit.
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