Überblick
Seit dem Vertrag von Lissabon wird die Union im Bereich der GASP durch Beschlüsse aktiv. Durch die Anwendung des Beschlussverfahrens werden die Beschlüsse für alle Mitgliedstaaten in der Regel bindend. Beschlüsse erstrecken sich auf folgende Bereiche
- Strategische Interessen und Ziele der Union
- Allgemeine Leitlinien für die GASP
- Strategische Vorgaben für die GASP
- Aktionen
- Standpunkte
- Systematische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten
Zuständigkeiten
Die Zuständigkeiten ergeben sich aus Artikel 25 EUV wie folgt:
- Der Europäische Rat bestimmt die strategische Interessen und Ziele der Union und fasst Beschlüsse zu allgemeinen Leitlinien und strategischen Vorgaben für die GASP.
- Der Rat fasst Beschlüsse zur Festlegung und Durchführung von Aktionen und Standpunkten.
- Die Union als Ganzes baut die systematische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Führung ihrer Politik aus.
Strategische Interessen und Ziele
(Art. 26)
Mit dem Vertrag von Amsterdam war 1999 das Instrument der "Gemeinsamen Strategie" geschaffen worden, um in Form eines EU-internen Rechtsakts die strategischen Interessen und Ziele der Union zu bestimmen. Gemeinsame Strategien wurden z.B. zu Russland, zur Ukraine und zur Mittelmeerregion verabschiedet.
Seit dem Vertrag von Lissabon werden die strategischen Interessen und Ziele der Union ebenso wie die allgemeinen Leitlinien der GASP durch Beschlüsse des Europäischen Rates festgelegt. Sie betreffen in der Regel Bereiche, in denen wichtige gemeinsame Interessen der EU-Mitgliedstaaten bestehen, schließen aber auch Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen ein.
Wenn eine internationale Entwicklung es erfordert, beruft der Präsident des Europäischen Rates eine außerordentliche Tagung des Europäischen Rates ein, um die strategischen Vorgaben für die Politik der Union angesichts dieser Entwicklung festzulegen.
Aktionen
(Art. 28 - operative Maßnahmen)
Bis zum Vertrag von Lissabon wurden "Gemeinsame Aktionen" verabschiedet, wenn die Union auf einem konkreten Gebiet der GASP operativ tätig werden wollte (z.B. Entsendung von Wahlbeobachtern, Ernennung von Sonderbeauftragten, Verhängung von Sanktionen).
Seit dem Vertrag von Lissabon erlässt der Rat, wenn eine internationale Situation ein operatives Vorgehen der Union verlangt, die erforderlichen Beschlüsse (die den früheren Gemeinsamen Aktionen entsprechen). In den Beschlüssen sind ihre Ziele, ihr Umfang, die der Union zur Verfügung zu stellenden Mittel sowie die Bedingungen und erforderlichenfalls der Zeitraum für ihre Durchführung festgelegt. Die Beschlüsse sind für die Mitgliedstaaten bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorgehen bindend.
Als Ausgleich für die strikte Rechtsbindung der Mitgliedstaaten sind Schutz- bzw. Notstandsklauseln vorgesehen. So können z.B. Mitgliedstaaten "bei zwingender Notwendigkeit aufgrund der Entwicklung der Lage" und mangels Entscheidung des Rates unter Berücksichtigung der allgemeinen Ziele des genannten Beschlusses die erforderlichen Sofortmaßnahmen ergreifen. Oder ein Mitgliedstaat kann den Rat befassen, wenn sich bei der Durchführung eines Beschlusses "größere Schwierigkeiten" ergeben; der Rat berät dann darüber und sucht nach angemessenen Lösungen.
Standpunkt
(Art. 29)
Der Rat erlässt Beschlüsse, in denen der Standpunkt (vor dem Lissabon-Vertrag "Gemeinsamer Standpunkt") der Union zu einer bestimmten Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt wird. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit den Standpunkten der Union in Einklang steht).
Erklärungen
Nicht im EUV festgelegt sind wertende Erklärungen, welche die EU regelmäßig zu aktuellen politischen Ereignissen abgibt (z.B. Verurteilung der Anwendung der Todesstrafe in einem bestimmten Staat oder Begrüßung des friedlichen Verlaufs von Parlamentswahlen in einem anderen).
Die der EU assoziierten Staaten können sich solchen Erklärungen, aber auch Standpunkten und Aktionen der EU, anschließen und sind dann durch diese ebenfalls unmittelbar gebunden.
Kommentar
Die Reihenfolge der Auflistung der die GASP betreffenden Paragraphen (siehe oben) macht noch keine Gemeinsame Politik. In Wirklichkeit agiert die EU noch immer in umgekehrter Reihenfolge, will sagen: Erklärungen und Standpunkte werden am häufigsten verabschiedet, da hier ein Konsens am leichtesten zu erreichen ist. Je höherwertig aber eine gemeinsame Position (Aktion bzw. Strategie) ist, desto seltener wird sie verabschiedet.
Der Vertrag von Lissabon ist zwar ein begrüßenswerter Fortschritt, lässt aber noch immer "Ausstiegsklauseln" zur Verfolgung nationalstaatliche Interessen zu. Was "höhere nationale Interessen" sind, ist logischerweise nicht definiert und bleibt der Interpretation der Nationalstaaten anheim gestellt.