Pareto - Theorie und Realität im Vergleich
Das Privatvermögen in Deutschland ist sehr ungleich verteilt, und die Schere öffnet sich immer weiter. Die Grafik zeigt die reale Verteilung des Nettovermögens auf Zehntel der Privathaushalte (rote Kreise und Verbindungslinien) und hinterlegt diese mit dem Schema eines Pareto-Effekts (gelbe Flächen).
Pareto untersuchte 1896 die Vermögensverteilung in Italien und fand heraus, dass ca. 20% der Familien etwa 80% des Vermögens besitzen. Diese Erkenntnis ist auch als Pareto-Prinzip, Pareto-Effekt oder 80-zu-20-Regel bekannt. Und Sie werden es kaum glauben: Die Vermögensverteilung der Privathaushalte in Deutschland im Jahr 2007 traf fast punktgenau die 80 : 20 Marge (vergleiche Grafik).
Befindet sich das Deutschland des 21. Jahrhunderts also auf dem Niveau Italiens Ende des 19. Jahrhunderts? Mitnichten! Gegenbeweis gefällig? - Hier ist er: Pareto schlug damals den Banken vor, sie sollten sich vornehmlich um die 20 Prozent Reicher kümmern, um ihre Auftragslage zu sichern. Könnten Sie sich auch nur im Entferntesten vorstellen, dass die heutigen deutschen Banken einem solchen Ratschlag folgen würden? Na also...
Vermögensverteilung als Lorenzkurve (hypothetisches Modell)
Immer wieder gerne angefragt: "Können Sie die Vermögensverteilung nicht auch einmal als Lorenzkurve darstellen?" - Im Prinzip ja, aber...
Die sogenannte Lorenzkurve (auch Lorenz-Kurve, benannt nach dem US-amerikanischen Statistiker und Ökonomen Max Otto Lorenz) besteht aus verschiedenen Punkten, die die Relation zwischen kumulativen (aufaddierten) Prozentsätzen von zwei Wertereihen (x- und y-Achse) wiedergeben. Die Bedingung ist, dass alle Werte positiv sind. Die Lorenzkurve eignet sich besonders gut für die Darstellung der Einkommensverteilung.
Da bei der Darstellung der Vermögensverteilung in Deutschland das untere Zehntel als verschuldet ausgewiesen werden muss, der Wert also negativ ist, kann die Lorenzkurve nur angelegt werden, wenn wir etwas "tricksen", will sagen annehmen, dass das untere Zehntel keine Schulden hätte. Unter dieser theoretischen Annahme ist die nebenstehende Grafik aufgebaut - wobei trotz dieser kleinen Mogelei die Disparität zwischen einer perfekten Gleichheit (45-Grad-Linie in grün) und der Ist-Verteilung mit angenäherten Werten (rote Kurve) deutlich wird und der Realität sehr nahe kommt.
Die Verteilung des Geldvermögens - Theorie und Realität
Wir greifen dennoch gerne das Darstellungsprinzip von Lorenz auf und verdeutlichen in der Grafik in einem vereinfachten Schema mit stark gerundeten Werten die Disparität zwischen einer perfekten (totalen) Gleichheit (grüne 45-Grad-Linie) und der realen Verteilung des Geldvermögens (rote Punkte und Linien). Die Ungleichheit ist durch die gelben Flächen wiedergegeben.
Ein Beispiel: Bei totaler Gleichheit der Verteilung hätten 90 Prozent der Bevölkerung ein Geldvermögen von 90 Prozent, also rund 4.500 Milliarden Euro. Realiter verfügen 90 Prozent der Bevölkerung nur über 40 Prozent des Geldvermögens, also rund 2.000 Milliarden Euro. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Die restlichen zehn Prozent verfügen über 60 Prozent des Geldvermögens, also rund 3.000 Milliarden Euro.
Gauß - Bugwelle und Glocke im Vergleich
Die Grafik zeigt die reale Verteilung des privaten Nettovermögens nach Zehnteln der Haushalte und in Prozent als sogenannte Bugwelle (rote Kreise und Verbindungslinien) und verdeutlicht, dass das oberste Zehntel der Haushalte in Deutschland fast zwei Drittel des Geldvermögens besitzt.
Bei Überlegungen zu einer "gerechten" Umverteilung, vorausgesetzt, diese wäre überhaupt durchsetzbar, wird oft als Erstes die Gaußsche Normalverteilung ins Spiel gebracht, die sogenannte Glockenkurve (gelbes Schema). Diese besagt, vereinfacht ausgedrückt, dass die Dichte von Zufallsgrößen im Zentrum am größten ist und sich zu den Glockenrändern hin immer mehr ausdünnt. Legt man diese Glockenkurve auf das Privatvermögen an, so erhält man auf den ersten Blick eine scheinbar ausgewogene Verteilung. Aber: Die Glocke kann für eine "gerechtere" Vermögensverteilung überhaupt nicht herangezogen werden - denn sonst hätten sowohl die Ärmsten als auch die Reichsten gleich viel bzw. gleich wenig Vermögen.
Lineare Umverteilung des Geldvermögens
Verlassen wir also die Glocke und gehen der Einfachheit halber von "linearen" Umverteilungsoptionen aus. Sie selbst können die nachfolgenden Überlegungen gerne durch eigene (auch progressive) Varianten ergänzen.
Die Grafik (deren Ausdruck zum Verfolgen der u.a. Erläuterungen empfohlen wird) zeigt in den roten Säulen in etwa die reale Verteilung des privaten Geldvermögens in absoluten Zahlen (Milliarden Euro). Bitte beachten: Die Säule des obersten Zehntels ist aus grafischen Gründen stark verkürzt dargestellt. Mit den orangenen bzw. gelben Säulen werden zwei hypothetische Umverteilungsvarianten dargestellt.
Bitte beachten: Die Grafik ist eine schematische, stark vereinfachte Darstellung mit zum Teil deutlich gerundeten Zahlen. Ausgangspunkt der folgenden Verteilungsvarianten ist ein privates Geldvermögen in Höhe von rund 5.000 Milliarden Euro und die Unterteilung aller Haushalte in Zehntel.
Variante 1
Lineare Verteilung in 100-Milliarden-Stufen (gelbe Säulen)
Parameter: Das unterste Zehntel erhält 100 Mrd. Euro, danach steigt das Geldvermögen gleichbleibend linear in jeweils 100-Milliarden-Schritten an. Das oberste Zehntel erhält also 1.000 Mrd. Euro.
Folgen: Das Vermögen aller Haushalte bis einschließlich des achten Zehntels steigt zum Teil deutlich an. Lediglich die beiden obersten Zehntel müssen Einschnitte hinnehmen - das neunte Zehntel geringfügig, das oberste Zehntel allerdings um etwa zwei Drittel von rund 3.000 auf rund 1.000 Milliarden Euro.
Variante 2
Lineare Verteilung in 50 Milliarden-Stufen (grüne Säulen)
Parameter: Das unterste Zehntel erhält 300 Mrd. Euro., danach steigt das Geldvermögen gleichbleibend linear in 50-Milliarden-Schritten an. Das oberste Zehntel erhält also 750 Milliarden Euro.
Folgen: Das unterste Zehntel ist nicht nur schuldenfrei, sondern verfügt über ein durchschnittliches Geldvermögen pro Haushalt von rund 75.000 Euro. Danach steigt das Vermögen bis einschließlich des achten Zehntels zum Teil deutlich an. Lediglich die beiden oberen Zehntel müssten starke Einbußen hinnehmen: das neunte Zehntel müsste auf etwa ein Fünftel, das oberste Zehntel sogar auf drei Viertel seines Geldvermögens verzichten (von rund 3.000 auf rund 750 Milliarden Euro).
Kommentar
"Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer"
Diese populäre und populistische Aussage suggeriert, dass Reiche immer nur auf Kosten der Armen reich werden. Hier schlägt offensichtlich die Neidfalle zu.
"Die können das doch leicht verschmerzen"
Wird oft gesagt. Doch Vorsicht - alles ist relativ. Nur wenige im obersten Zehntel sind Millionäre oder gar Multi-Millionäre. Und in vielen der Haushalte des obersten Zehntels wurde das Vermögen redlich und durch Leistung verdient.
Hinzu kommt: Im obersten Zehntel befinden sich im Übergangsbereich zum neunten Zehntel Haushalte mit durchschnittlich etwa 250.000 Euro Geldvermögen. Das ist viel Geld. Aber was ist, wenn diese "Vermögen" z.B. Rücklagen Selbständiger zur Altersversorgung (ohne staatliche Hilfe) sind? Dann könnte dieses Geld innerhalb weniger Jahre im Alten- oder Pflegeheim aufgebraucht sein.
Und letztlich eine Gewissensfrage: Würden SIE freiwillig auf die Hälfte, zwei Drittel oder gar drei Viertel Ihres Geldvermögens verzichten, wenn Sie Angehöriger der obersten Zehntel wären?
Noch ein Wort zu einer hypothetisch gleichen Verteilung über alle Haushalte. Diese "gerechteste" Variante ist natürlich völlig unrealistisch und widerspricht jeder Lebenserfahrung: Bekäme heute jeder Haushalt 100.000 Euro auf die Hand und wir würden die Haushalte nach einem Jahr wieder besuchen, sähen wir bereits eine völlig ungleiche Verteilung des Geldvermögens.
Einige Haushalte hätten das Geld im wahrsten Sinne des Wortes sinnlos verprasst oder sich gar wieder verschuldet, andere hätten sich Konsumgüter gekauft, wieder andere Geld angespart, und einige hätten ihr Vermögen z.B. durch Investitionen oder durch Spekulationen erheblich gesteigert (das Gleiche gilt übrigens generell auch für die beiden o.a. hypothetischen linearen Verteilungsvarianten).
Fazit
Der Mensch ist glücklicherweise kein Einheitstier, keine geklonte blaue Ameise, die identisch denkt und handelt. Die Schimäre vom Einheitsmenschen war ja gerade der große Irrtum aller faschistischen und sozialistischen Ideologien des letzten Jahrhunderts und musste zwangsläufig zu deren Scheitern führen.
Die derzeitige Verteilung des privaten Geldvermögens ist jedoch - abseits aller Neid- und Missgunstfaktoren - objektiv gesehen extrem unbefriedigend. Wenn in den Händen der unteren Hälfte aller Haushalte (wir sprechen immerhin von ca. 20 Millionen Haushalten mit etwa 40 Millionen Menschen) gerade einmal einige Prozent des Geldvermögens liegen, und wenn sich etwa 4 Millionen Haushalte im Schuldenbereich befinden, dann bedarf es dringend des Eingreifens der Politik.
Aber wie, wann, und durch wen?...