SPOTLIGHT: Das war's. Zum 1. Januar 2024 werden alle staatlichen Institutionen der selbst ernannten armenischen Republik Bergkarabach aufgelöst. Die international nicht anerkannte - und seit 2017 als "Republik Arzach" firmierende - armenische Republik wird ab diesem Tag nicht mehr existieren. Deren Auflösung war Teil der armenischen Kapitulationsbedingungen nach der am 19. September 2023 erfolgten und für Aserbaidschan erfolgreichen Militäroffensive in Bergkarabach (Details siehe weiter unten).
Krisenregion Kaukasien
In Südkaukasien schien nach den Unruhen in und um Ossetien, Adscharien und Abchasien, dem Kaukasuskrieg 2008 und den beiden Tschetschenien-Kriegen eine relative Ruhe eingekehrt zu sein. Erst der 2020 erneute Ausbruch des schwelenden Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach lenkte den Blick wieder in Richtung Kaukasien. Den aktuellen Stand (Ende September 2023) zeigt die nebenstehende Grafik. Näheres zur zweiten und dritten militärischen Auseinandersetzung um Bergkarabach siehe weiter unten.
In Nordkaukasien rührt das Konfliktpotential in erster Linie aus den Eingriffen in die regionalen Lebensverhältnisse durch den russischen Kolonialismus und die Sowjetisierung her. Der über Jahrhunderte gewachsenen sprachlichen, religiösen, kulturellen und sozialökonomischen Heterogenität wurden Züge tiefgreifender gesellschaftlicher Transformation, teilweise auch Deformation hinzugefügt.
Die Lage 2008 zum Vergleich
Die nebenstehende Grafik mit Stand Juli 2008 macht deutlich, dass der Kaukasus-Kamm keine klare Trennlinie bildet; vielmehr sind viele der Konflikte grenzübergreifend und Bestandteil eines Erbes, welches nicht nur die nordkaukasischen Republiken Russlands, sondern auch die drei transkaukasischen Staaten Georgien, Armenien und Aserbaidschan bewältigen müssen.
Insgesamt wird die ohnehin recht unübersichtliche politische Gliederung Kaukasiens den gegenwärtigen Realitäten aber nicht gerecht, da die Region durch Sezessionskriege und Autonomiebestrebungen politisch und wirtschaftlich zerstückelt wurde.
Einen Überblick über die sogenannten "Eingefrorenen Konflikte" der Region finden Sie nachfolgend.
Übersicht über
Eingefrorene Konflikte (Frozen Conflicts) von besonderer Brisanz
1. Georgien
Nach dem Kaukasuskrieg im August 2008 zwischen Georgien auf der einen und Russland sowie Südossetien und Abchasien auf der anderen Seite erklärten sich
• Abchasien
• Südossetien
für unabhängig. Bis heute haben fünf "Weltmächte" Abchasien und Südossetien anerkannt: Russland, Nicaragua, Venezuela, Nauru und Tuvalu.
2. Aserbaidschan / Armenien
• Bergkarabach
Im Südwesten Aserbaidschans liegt die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region Bergkarabach (auch Nagorny Karabach). Das Gebiet ist seit knapp hundert Jahren zwischen Armeniern und Aserbaidschanern umstritten. Bergkarabach gehörte völkerrechtlich zu Aserbaidschan, in dem Gebiet lebten aber bisher überwiegend Armenier. Aserbaidschan und Armenien kämpften nach der Auflösung der Sowjetunion jahrelang um die Region.
1992-1994 erster Karabachkrieg
1991 entzündete sich ein militärischer Konflikt, in dessen Verlauf sich die international nicht anerkannten Republik Bergkarabach für unabhängig erklärte. Armenien gewann den Krieg und etwa 600.000 Aserbaidschaner wurden aus dem Gebiet vertrieben.
Seit 1994 wurde eine großräumige Schutzzone von Truppen der Republik Bergkarabach und Armeniens gehalten. Die selbsternannte Republik Bergkarabach bzw. seit 2017 "Republik Arzach" war fast ausschließlich von armenischen Christinnen und Christen bewohnt, wurde aber international nicht anerkannt. Die Einwohnerzahl lag zur Jahrtausendwende bei etwa 145.000.
2020 zweiter Karabachkrieg
Am 27. September 2020 begann Aserbaidschan eine militärische Großoffensive in der Region Berg-Karabach einschließlich der umliegenden aserbaidschanischen Provinzen, die seit 1994 de facto von Armenien kontrolliert wurden. Nach sechswöchigem Krieg vereinbarten Armenien und Aserbaidschan am 10. November 2020 einen von Russland vermittelten Waffenstillstand.
Aserbaidschan hatte weite Teile der Region um die Stadt Stepanakert zurückgewonnen und Armenien laut dem Abkommen die Kontrolle über weite Teile der umstrittenen Gebiete verloren. Bei den Kämpfen kamen etwa 4.000 Menschen ums Leben, Tausende mussten ihre Heimat verlassen. Der anschließend geschlossene und formell von russischen Truppen überwachte Waffenstillstand erwies sich jedoch als brüchig.
2023 dritter Karabachkonflikt
Am 19. September 2023 startete Aserbaidschan eine groß angelegte und offensichtlich lange vorbereitete Militäroffensive in Bergkarabach. Bereits einen Tag später mussten sich die proarmenischen Kämpfer von Bergkarabach geschlagen geben. Wenige Tage danach war nach armenischen Regierungsangaben etwa die Hälfte der vormals 120.000 armenischen Bewohner Bergkarabachs nach Armenien geflohen. Experten erwarten, dass praktisch alle Armenier die Region verlassen.
Weiterführender externer Link
- Bergkarabach - Konflikt
(gute Übersicht über Hintergrund und Stand des Konflikts 2020 von der Bundeszentrale für politische Bildung - bpb)