SPOTLIGHT: Die Bundesregierung verabschiedete am 12. April 2017 den Fünften Armuts- und Reichtumsbericht (5. ARB). Federführend war das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Der 5. ARB wurde - wie auch sein Vorgänger - mit eineinhalb Jahren Verspätung vorgelegt.
5. Armuts- und Reichtumsbericht
Vermögensentwicklung und Verteilung
Das Bundeskabinett hat am 12. April 2017 den Fünften Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (5. ARB) "Lebenslagen in Deutschland" beschlossen. Der Bericht analysiert Lebenslagen in Deutschland wie die Erwerbstätigkeit, die Einkommens- und Bildungssituation, die Gesundheit und das Wohnen für Menschen unterschiedlicher Lebensphasen. Der 5. ARB umfasst grundsätzlich den Zeitraum 2012 bis 2016, nach verfügbarer Datenlage bis einschließlich 2017. Er besteht aus einer Kurzfassung sowie einer Langfassung mit ausführlichen Analysen.
Der 5. ARB richtet den Blick stärker als die Vorgängerberichte auf die gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge von Armut, Reichtum und Ungleichheit. Die soziale Lage in Deutschland wird dafür auf Basis vorliegender Statistiken und eigens in Auftrag gegebener Forschungsvorhaben ausführlich beschrieben. Dazu gehört ganz besonders die Entwicklung der Erwerbseinkommen, die für die große Mehrheit der Menschen die wichtigste Einkommensquelle darstellen.
Hintergrund: Gemäß der Beschlüsse des Bundestages vom 27. Januar 2000 und 19. Oktober 2001 muss die Bundesregierung jeweils zur Mitte der Legislaturperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht (ARB) vorlegen. Alle Organisationen und Verbände, die sich mit dem Thema befassen, werden verbindlich beteiligt.
Weiterführende externe Links
- Armuts- und Reichtumsbericht
(Einstiegseite des BMAS - dort sind auch alle dem Bericht zugrunde liegenden Studien abrufbar) - Lebenslagen in Deutschland - Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung
(Langfassung - PDF - 12MB) - 5. Armuts- und Reichtumsbericht - Kurzfassung
(PDF - 745KB)
4. Armuts- und Reichtumsbericht
Vermögensentwicklung und Verteilung
Um die Vermögensentwicklung differenzierter betrachten zu können, müssen wir auf den 4. Armuts- und Reichtumsbericht (umgangssprachlich Armutsbericht) aus dem Jahr 2013 zurückgreifen, der die Vermögenswerte für den Zehnjahrezeitraum von 1993 bis 2003 darlegt. Die Grafik verdeutlicht dies:
Im linken Diagramm sind die prozentualen Vermögensanteile des obersten Zehntels (grün), des 6. bis 9. Zehntels (gelb) und der unteren Hälfte (rot) dargestellt, und zwar für die Jahre 1998, 2003 und 2008. Neuere Vergleichsdaten lagen (angeblich) auch im Jahr 2013(!) noch nicht vor.
Im rechten Diagramm sehen Sie die Vermögensverteilung im Jahr 2008 in einer Zehntelunterteilung der Haushalte, die verdeutlicht, was die leicht kaschierende Darstellung in linken Diagramm in der Realität bedeutet.
2. Armuts- und Reichtumsbericht
Vermögensentwicklung
a. in Prozent
Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht aus dem Jahr 2003 legte ebenfalls für einen Zehnjahrezeitraum vergleichbare Daten vor - damals allerdings für die Jahre 1993 bis 2003. Die Grafik zeigt jeweils Zehntel der Privathaushalte und ihren prozentualen Anteil am Nettovermögen in 1993 (gelb), 1998 (orange) und 2003 (rot).
Deutlich wird, dass das oberste Zehntel damals leicht zunahm (und inzwischen bei fast 60 Prozent liegt), während das untere Zehntel weiter abrutschte. Interessant ist zudem, dass auch die Zehntel Nr. 7, 8 und 9 prozentual abnahmen! Bevor Sie als Angehöriger dieser Zehntel leicht depressiv werden, vergleichen Sie bitte diese Daten mit der folgenden Grafik.
b. in Euro
Die Grafik zeigt im gleichen Aufbau und in derselben Farbgebung wie oben die Entwicklung der Vermögensanteile 1993-2003, diesmal aber in Euro. Deutlich wird hier, dass vom vierten Zehntel aufwärts alle Vermögenswerte stiegen. Allerdings: Das dritte Zehntel verzeichnet leichte, dass zweite Zehntel deutliche und das unterste Zehntel starke Einbußen.
Ein Vergleich beider Grafiken dient insbesondere der Gewinnung zweier Erkenntnisse:
- Die Erhöhung prozentualer Vermögensanteile, namentlich des obersten Zehntels, bedeutet nicht notwendigerweise, dass die anderen Haushalte "ärmer" werden.
- Die Erhöhung des nominalen Vermögens bedeutet nicht notwendigerweise, dass sich auch das real verfügbare Vermögen erhöht hat - die Inflationsrate lässt grüßen.
Fazit
Das Privatvermögen in Deutschland betrug 2015 netto mehr als 11.000 Milliarden Euro. Das Vermögen der privaten Haushalte war damit größer als das Bruttoinlandsprodukt jedes Staates der Welt (mit Ausnahme der USA), das diese im gleichen Jahr erwirtschafteten! Schon 2003 stellte die damalige Bundesregierung fest:
Deutschland ist ein reiches Land.
Dies zeigt sich insbesondere auch an den Vermögenswerten
in privater Hand, die ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die
materielle Lebenslage der Menschen sind.
(2. Armuts- und Reichtumsbericht - 2003)
Allerdings: Wie immer man auch die Haushalte bzw. die Bevölkerung unterteilt und welche Datenquellen auch immer man heranzieht, die sehr ungleichmäßige Verteilung des Privatvermögens ist evident. Dieser Binsenerkenntnis konnte sich auch die Bundesregierung nicht verschließen - wobei man sich erst auf Seite 343(!) des Armutsberichts 2013 dazu durchringen konnte, im Zusammenhang mit der Aufschlüsselung des Vermögens nach Durchschnittswerten pro Haushalt festzustellen:
Hinter diesen Durchschnittswerten steht eine
sehr ungleiche Verteilung der Privatvermögen.
Auch zwischen verschiedenen Haushaltstypen bestehen
erhebliche Unterschiede bei der Höhe des Privatvermögens.
(4. Armuts- und Reichtumsbericht - 2013)
Und die Schere zwischen Millionen von Haushalten am untersten und Millionen von Haushalten am obersten Ende wird sich - nach allen bisherigen Erfahrungen und erkennbaren Trends - weiter öffnen. Es ist Aufgabe der Politik, hier umgehend und einschneidend gegenzusteuern, soll es nicht zu ernsten politischen Verwerfungen in der Gesellschaft kommen.
Weiterführende externe Links
- Armuts- und Reichtumsbericht (BMAS)
(Startseite des Bundesminissteriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zum Stand der Bearbeitung des aktuellen Berichts. Unter der Suchoption des BMAS können Sie die bisherigen Berichte aufrufen.) - Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
(dort unter > Service > Publikationen > Suchen den Begriff "Armutsbericht" eingeben. Sie erhalten dann u.a. den Vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vom März 2013). Hinweis: Der exakte Titel des Berichts lautet: "Der Vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung - Lebenslagen in Deutschland". Download als PDF-Datei in Lang- und Kurzfassung möglich. Umfangreicher Bericht mit vielen statistischen Detailinformationen. Wer sich die Rosinen herauspickt, erhält einen guten Überblick über die Gesamtproblematik. Die Fortschreibung der Berichte ist jeweils für die Mitte der Legislaturperiode vorgesehen. Der vierte Bericht wäre also Mitte 2011 fällig gewesen, erschien aber erst mit Datum März 2013 - reichlich spät...