Interessengegensätze in der Entwicklungspolitik

Entwicklungspolitik - die jährlichen "Menschenopfer" der Welt

Die jährlichen "Menschenopfer" der Welt

Alle 5 Sekunden stirbt ein Mensch an den Folgen der Unterernährung: Das sind fast 24.000 Tote an jedem Tag - und nahezu 9 Millionen jährlich. Dies sind vorsichtige Schätzungen. Andere Zahlen gehen von täglich bis zu 100.000 Toten aus - mehr als 30 Millionen jährlich. Hinzu kommt: Etwa 6 Millionen Menschen sterben jährlich an Wassermangel bzw. an Krankheiten, die durch unsauberes Wasser verursacht wurden.

Dieses Massaker geschieht täglich - und mit Wissen aller.

Noch immer ist der Hunger die Todesursache Nummer eins in der Welt. Nach Angaben des Welternährungsprogramms (World Food Programme - WFP) sterben mehr Menschen an Unterernährung als an Aids, Malaria und Tuberkulose zusammen. Und weit mehr Menschen kommen durch Hunger und Wassermangel ums Leben als durch Kriege.


Entwicklungspolitik - globale Interessengegensätze

Interessengegensätze

"Eure Sorgen möchte ich haben...", sagte ein ostafrikanischer Regierungschef, als wir mit ihm über die uns besonders bewegenden Risiken der Klimaveränderung, der kommenden Energieengpässe sowie der Überalterung unserer Gesellschaften und deren Auswirkung auf die Sozialsysteme berichteten.

Seine Sorgen waren die Hungertoten seines Staates...

"Eine Welt ohne Armut, Furcht und ökologische Zerstörung" - diese Vision führte im September 2000 Vertreter aus den damals 189 Mitgliedsländern der UNO in New York zusammen, darunter fast 150 Staats- und Regierungschefs. In der Millenniumserklärung erkannten sie u.a. die weltweite Armutsbekämpfung und die gerechte Gestaltung der Globalisierung als zentrale Aufgaben der internationalen Gemeinschaft für das 21. Jahrhundert an.


Kommentar

Gegen bestimmte Kriege gelingt es leicht, Hunderttausende zu Demonstrationen auf die Straße zu bringen - wo aber bleibt das Aufbegehren gegen den alltäglichen Wahnsinn, die täglichen Hungertoten?

Die meisten Menschen unterliegen ganz offensichtlich einer sehr selektiven Wahrnehmung. Und darauf angesprochen, warum sie nichts gegen die täglichen Menschenopfer tun, hört man immer wieder die gleichen gängigen Ausflüchte:

  • Ich würde ja etwas tun, wenn alle anderen auch mitmachen würden...
  • Ich würde ja Geld spenden, wenn ich wüsste, dass es auch in die richtigen Hände käme...
  • Sollen doch erst mal die Reichen...
  • Wir haben doch selbst genug arme Leute...
    etc. etc. etc.

Fakt ist: In Deutschland muss niemand verhungern (es sei denn, er plane, Model zu werden) und in Deutschland stirbt niemand an verunreinigtem Wasser. Zigtausende Wasser- und Hungertote weltweit täglich, d.h. die Einwohnerzahl einer mittleren deutschen Kleinstadt, sind eine Schande für uns alle!

Die weltpolitischen Umwälzungen nach dem Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks haben die Rahmenbedingungen für Entwicklung und Entwicklungszusammenarbeit fundamental verändert. Die Einsicht, dass eine am Markt orientierte soziale Wirtschaftsordnung und ein auf die Teilhabe am politischen Prozess ausgerichtetes Gesellschaftssystem die besten Voraussetzungen für eine menschengerechte Entwicklung bieten, hat sich aufgrund des Scheiterns dirigistisch-sozialistischer Modelle weltweit durchgesetzt. Dieser Konsens eröffnet der internationalen Zusammenarbeit neue Chancen. Die Entwicklungspolitik wird nicht mehr von geostrategischen Erwägungen des Ost-West-Konflikts überlagert. Sie kann heute, auf einen Lernprozess von mehr als drei Jahrzehnten zurückblickend, an den für sie maßgebenden Erfolgsbedingungen ausgerichtet werden.

Die Welt durchläuft einen wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Globalisierungsprozess, der verstärkte internationale Zusammenarbeit zwingend macht. Die Probleme des Überlebens in der "Einen Welt" sind nur gemeinsam in einer internationalen Verantwortungsgemeinschaft und Entwicklungspartnerschaft zu lösen. Die Partnerländer entwickeln sich zunehmend differenzierter. Ein gewandeltes kulturelles und politisches Selbstbewusstsein in vielen Gesellschaften, Wachstumserfolge in dynamischen Regionen, andauernde Armut in zahlreichen anderen Ländern und zunehmende innerstaatliche Konflikte erfordern neue und unterschiedliche entwicklungspolitische Antworten.

Durch die erheblich gestiegenen Investitionen in den wirtschaftlich erfolgreichen Partnerländern hat sich das Verhältnis von privaten Kapitalströmen zu öffentlichen Mitteln, die für Entwicklung eingesetzt werden, verschoben. Gleichzeitig ist der Rechtfertigungsdruck in den Industrieländern, die die Konsolidierung ihrer öffentlichen Haushalte anstreben, für die Verwendung von Steuermitteln als Auslandshilfe gestiegen.

Einigen Entwicklungsländern ist die Integration in die Weltwirtschaft inzwischen gelungen. Mit Wachstumsraten, die die der Industrieländer weit übertreffen, sind sie zu neuen Polen der weltwirtschaftlichen Entwicklung geworden und haben ein nicht mehr zu übersehendes Gewicht nicht nur als Konkurrenten, sondern auch in der Nachfrage erlangt.

Die Möglichkeiten und Chancen der internationalen Zusammenarbeit und damit auch der Entwicklungszusammenarbeit haben sich vor diesem Hintergrund erheblich erweitert. Zusätzliche Aufgaben sind ihr außerdem dadurch entstanden, dass zu den klassischen Entwicklungsländern nun in Form der Transformationsländer in Osteuropa und in der ehemaligen Sowjetunion eine weitere Kategorie von Partnern getreten ist.