Die Grundstruktur des Vertrags
Der Vertrag von Lissabon (ursprünglich auch Grundlagenvertrag bzw. Reformvertrag genannt) ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den damals 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union - ohne Kroatien (Beitritt erst 2013), aber noch mit Großbritannien (Austritt am 31. Januar 2020). Der Vertrag wurde am 13. Dezember 2007 unter portugiesischer Ratspräsidentschaft in Lissabon unterzeichnet und trat am 1. Dezember 2009 in Kraft.
Der vollständige Titel des Vertrags lautet "Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft". Der Vertrag ist ein Änderungsvertrag (siehe Kommentar weiter unten).
Im Wesentlichen reformiert er zum einen den
- Vertrag über die Europäische Union (EUV)
zum anderen den "Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft" (EGV), der den neuen sperrigen Namen erhält
- Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
Beide Verträge bilden die Grundlage des politischen Handelns der Europäischen Union (Grundlagenverträge) und sind rechtlich gleichrangig. Zugleich wurde der weiterhin bestehende Euratom-Vertrag leicht abgeändert.
Weiterführende externe Links
- Konsolidierte Verträge, Charta der Grundrechte (Auflage 2016)
(EUV und AEUV als konsolidierte Verträge [mit der Charta der Grundrechte als Zugabe]. PDF-Datei - 4,69 MB / 412 Seiten - in Deutsch) - Europäischer Rat / Rat der Europäischen Union
(Gemeinsame Übersichtsseite der beiden EU-Organe - auch in deutscher Sprache verfügbar. Hier können Sie in der Regel alle EU-Verträge und Dokumente einzeln in deutscher Sprache als DOC- und/oder PDF-Dokument abrufen.)
Kommentar
Der Vertrag von Lissabon ist ein sogenannter Änderungsvertrag. Er besteht aus einer Vielzahl von - für normale Menschen kaum verständlichen - Versatzstücken und Verweisen auf Artikel früherer Verträge und ist weitgehend eine Auflistung der beschlossenen Veränderungen an den bisherigen Verträgen. Kleines Beispiel gefällig? Bitteschön:
"52) Die Artikel 40 bis 40b des Titels VI und die Artikel 43 bis 45 des Titels VII betreffend die Verstärkte Zusammenarbeit werden gemäß Nummer 22 durch Artikel 10 ersetzt und Titel VII wird aufgehoben."
Nur Sadomasochisten sollten sich das Lesen dieses Vertrags antun. Der Ministerrat hat konsolidierte Fassungen (also komplette Vertragstexte) der beiden Basisverträge "EUV" und "AEUV" veröffentlicht. Wir empfehlen, sich nur diese Textversionen zu Gemüte zu führen (siehe externe Links weiter oben).
Um diese Webseite übersichtlich zu halten, haben wir die wichtigsten Reformen des Vertrags von Lissabon in Textform auf der folgenden internen Webseite zusammengefasst.
• Vertrag von Lissabon - die Kernelemente
Vielfalt oder Wirrwarr?
Die Union beruht somit weiterhin auf mehreren Verträgen. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 existierten fünf für die EU relevante Verträge
- der Vertrag von Lissabon als Dachvertrag
- der Vertrag über die Europäische Union (EUV)
- der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
- der Euratom-Vertrag (Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft)
- das WEU-Vertragswerk (modifizierter Brüsseler Vertrag und Pariser Verträge).
Durch die Auflösung der WEU in 2011 entfiel die vertragliche Bindung des WEU-Vertragswerks. Damit verbleiben vier Verträge - mit den Augen des Verfassungskonvents betrachtet (siehe Vorgeschichte) also immer noch drei zu viel...
Bei der Ratifikation des Vertrags von Lissabon kam es in mehreren Mitgliedstaaten zu Schwierigkeiten. Insbesondere ein ablehnendes Referendum in Irland im Sommer 2008 verzögerte den ursprünglichen Zeitplan. Nach einer Wiederholung des Referendums im Herbst 2009 trat der Vertrag schließlich zum 1. Dezember 2009 in Kraft.
Wir empfehlen in diesem Zusammenhang zum besseren Verständnis auch die internen Webseiten
• Die Politikfelder der EU
• Entwicklung der Verträge und Strukturen der EU
Vorgeschichte - die gescheiterte Verfassung
2004 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EU den Verfassungsvertrag, der alle bestehenden EU-Verträge aufgehoben und durch einen einheitlichen Text mit der Bezeichnung "Verfassung" ersetzt hätte. Nachdem der Verfassungsvertrag jedoch 2005 durch Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheitert war, wurde dieses Ziel in dem 2007 erteilten Mandat für die Regierungskonferenz über den Reformvertrag (dem späteren Vertrag von Lissabon) ausdrücklich aufgegeben.
Stattdessen wurden wesentliche Elemente des Verfassungsvertrags in das bereits existierende Vertragswerk eingearbeitet. Im Gegensatz zum Verfassungsvertrag ersetzt der Vertrag von Lissabon also die bestehenden Verträge nicht, sondern ändert sie nur ab.
Die folgende Webseite macht deutlich, dass der Vertrag von Lissabon weit hinter den Reformansätzen des ursprünglichen Verfassungsvertrags zurückbleibt und dieser Rückschritt nun als Fortschritt verkauft wird. Schönes neues Europa...
Näheres siehe die interne Webseite
• Europäische Verfassung - der gescheiterte Vertrag